Erinnerungen an Anna Gräfin von Spreti – Yrsch
(1874 – 1944)
Anna Maria Athenais Luisa Reichsgräfin von Yrsch
wurde am 4. Jan 1874 in München, Max Josef Str. 1 geboren. Taufpatin war Maria Gräfin von Yrsch, ihre Großmutter, geborene Gräfin von Kreith, Palastdame, Oberhofmeisterswitwe.
Über die Kindheit und Jugend von Anna ist wenig bekannt. Die Familie zog in den 1860er/70er Jahren einige Male innerhalb Münchens um, blieb aber immer im Bereich der Maxvorstadt. Ab 1874, als Anna geboren wurde, wohnte die Familie in der Barerstraße Nr. 31/II. Anna wurde am 12. Januar 1874 auf den Namen Anna Maria Luisa Athenais getauft.
Anna wurde von Privatlehrern unterrichtet und erhielt von Anfang Mai bis Oktober 1880 in Siegsdorf wöchentlich 2 Stunden Elementarunterricht. Am 8. Oktober konnten ihr von ihrem Lehrer Alois Betz „bei sehr vielen Geistesfähigkeiten und sehr großem Fleiß sehr gute Fortschritte“ in Religion, Bibl. Geschichte, Lesen, Schreiben, Sprachlehre, Rechnen bescheinigt werden; am 20. Mai 1888, legte sie ebenfalls in Siegsdorf die öffentliche Prüfung für die aus der Volksschule zu entlassenden Kinder mit bestem Erfolg in allen vorgeschriebenen Unterrichtsgegenständen ab.
Am 22. April 1889 wurde Anna durch den Erzbischof Antonius (von Steichele) von München und Freising gefirmt. Als Patin ihr stand ihr Adelheid Freifrau von Magerl, geb. Gräfin von Yrsch bei.
Ein angeborenes Hüftleiden machte ihr lebenslang Schwierigkeiten. Der Tod des jüngeren Bruders, Maximilian (1873-1885) und die häufigen Todesfälle in der Familie, das Erleben der eigenen Beeinträchtigung durch das angeborene Leiden, die fürsorgliche Umgebung ihres Elternhauses in dem sie aufwuchs, mögen sie dazu bestimmt haben, von Jugend an die Hilfsbereitschaft zu Armen und Hilfsbedürftigen zu pflegen, sie stellte sich schon als junges Mädchen ehrenamtlich der Münchener Caritassektion zur Verfügung.
Anna Gräfin von Yrsch heiratete 1902 Adolf Graf von Spreti. Er war bereits verwitwet. Seine erste Ehe schloss er in Schloss Dreis bei Koblenz 1897 mit Anna Freiin von Linde, die ihr erstes Kind erwartend am 16. September 1900 in Kapfing an Leukamie verstarb.
Am 26. August 1902 führten die beiden Schwäger Heinrich Graf von Spreti (1868 – 1944) und Friedrich (1870 – 1914) Graf von Yrsch, Anna zum Traualtar mit Adolf Graf Spreti.
Otto Kögl aus Rosenheim
Ein Chronist berichtet darüber
„. . . Am Tage vor der Hochzeit veranstaltete man einen Fackelzug, an dem sich die Ortsbevölkerung überaus zahlreich und die Vereine mit Fahnen beteiligten. Besonders festlich gestaltete sich die kirchliche Zeremonie. Der Weg zur Kirche war mit Blumen bestreut und der Mittelgang des reich geschmückten Gotteshauses von hinten bis vorne mit wertvollen Teppichen belegt. . . . An der Trauung, die wohl als die prunkvollste bezeichnet werden kann, die jemals in Siegsdorf vorgenommen wurde, beteiligten dich 37 Grafen. . . .“
„Gräfliche Trauung. Am verflossenen Sonntag wurde auf dem hiesigen Schlosse der Frau Gräfin von Yrsch Graf Adolf Spreti, Herr auf Kapfing und Vilsheim, mit der jungen Comtesse v. Yrsch getraut. Die kirchliche Trauung vollzog der hochw. Herr P. Coelestin von Altötting. Die gesamte Bevölkerung nahm an der gräflichen Trauung innigen Anteil. Die Herren Lehrer von Siegsdorf und Umgebung brachten dem Hohen Brautpaare am Vorabend ein herrliches Ständchen, die Bevölkerung einen Fackelzug. Das Hochzeitsfest selbst gestaltete sich zu einem kleinen Volksfest das den schönsten, ungetrübten Verlauf nahm“
25 Jahre später
berichtet die Zeitung über die Silberne Hochzeit des Paares und macht die Gräfin Yrsch aus Sympathie auch gleich zur geborenen Siegsdorferin (was natürlich nicht stimmt), aber im Gedächtnis der Bevölkerung, war sie über all die Jahre hinweg als eine der ihren geblieben.
„Graf Adolf von Spreti, Gutsbesitzer auf Schloss Kapfing in Niederbayern, begeht am Freitag mit seiner Gemahlin Anna Maria geb. Gräfin von Yrsch (eine geborene Siegsdorferin) das Silberneu. Das Jubelpaar, das wegen seiner Einfachheit sehr beliebt ist, hat mit Söhnen und Dienerschaft seit 5. August in einem hiesigen bürgerlichen Hause Sommerwohnung gezogen und will den Hochzeitstag in aller Stille im engsten Kreis verbringen. Herzlichen Glückwunsch!“
„Gestern hielt Herr Graf Adolf v. Spreti, welcher zu Siegsdorf bei Traunstein im Monat August seine Vermählung mit Gräfin Anna v. Yrsch gefeiert, mit seiner hohen Gemahlin seinen Einzug auf Schloß Kapfing. Die Gemeinde Vils-heim, deren Bürger Herr Graf ist, bot alles auf, die Einzugsfeier so festlich als möglich zu ge-stalten. Bis an die Grenzen der Gemeinde bei Forstaichbach wurden dem gräflichen Paare Reiter und Chaisen zum Ehrengeleite ent-gegengeschickt.
In der Nähe von Vilsheim erwartete die Schuljugend die freiw. Feuerwehr und der Veteranenverein das Paar und begrüßte es mit lauten Hochrufen. Nachdem Herr Lehrer Further von Vilsheim einige Begrüßungswort gesprochen und ein Mädchen einen hübschen Willkommensgruß vorge-tragen, setzte sich der Imposante Zug unter den Klängen der Stephan’schen Musikkapelle von Landshut durch das reichdekorierte Vilsheim und Kapfing dem gräfl. Schlosse zu in Bewegung.
Dort fand vor dem Schloßthore die eigentliche Begrüßungsfeier statt, eingeleitet durch einen vierst. „Willkommensgruß“ vorgetragen von dem HH Lehrern Vilsheims und der Umgegend. Nach einer poetischen Begrüßung durch ein Töchterchen des gräfl. Hausmeisters Gotterbauer hielt Herr Pfarrer Steierl von Vilsheim Namens der Pfarrgemeine die Begrüßungsrede und brachte deren Glück-wünsche den Neuvermählten zum Ausdruck, worauf Herr Schlossgärtner Idler noch im Namen der gutsherrlichen Dienserschaft die Herrschaften begrüßte.
Mit der Königshymne schloss die wohlgelungene Empfangsfeierlichkeit. Die so Geehrten zeigten nun ihre dankbare Erkenntlichkeit, indem sie sämtliche Festzugsteilnehmer in der Strobl’schen Wirthschaft zu Kapfing trefflich bewirthen ließen. Während die gräflichen Herrschaften dinierten, brachten die HH Lehrer herrlich Gesangstücke und die Kapelle Stephan trefflich Piecen zum Vortrag. Abends bildete ein effektvolles Feuerwerk den Schluß dieser schönen, den Herrschaften gewiß unvergesslichen Einzugsfeier. Die ganze erhebende Feierlichkeit war ein Beweis, dass es in Niederbayern auch noch einen Bauern-stand gibt, der am Adel hängt und den Adel ehrt und gewissen Leute noch nicht im Stande waren das gegenseitige Vertrauen zu erschüttern und besonders nicht, wenn es sich um derart geschätzte Familien handelt, wie die gräfliche Familie von Spreti. Gott segne und erhalte sie!“
So ist auch die Meldung über den Tod ihrer Mutter zu verstehen
„In Mentone, wo sie zur Erholung weilte, ist Sonntag Frau Wilhelmine Gräfin von Yrsch, geborene Gräfin von Otting und Fünfstetten, nach langem Leiden gestorben. Die Leiche wurde nach dem Gute Freiham bei München überführt und dort in aller Stille zur letzten Ruhe bestattet.- Die Verstorbene weilte seit Jahren jeden Sommer in Ihrem Anwesen in Siegsorf“
Mit dem Einzug des jungen Paares
wurde Schloss Kapfing in der Gemeinde Vilsheim, Landkreis Landshut, von da an der Mittelpunkt ihres Daseins und Wirkens.
Anna lebte sich in ihre neuen Umgebung Schloss Kapfing in der Gemeinde Vilsheim sehr schnell und gut ein. Von 1907 an plante man einen großen Um- und Anbau des Schlosses, welcher 1910 vollendet war. Architekt war Annas Vetter Felix Graf von Courten. Mit größtem Aufwand wurde das Schloss modernisiert mit für damals fast unbekannten Errungenschaften, wie zum Beispiel einer zentralen Staubsaugeranlage und erhielt den westlichen Anbau mit den zwei dominanten Zwiebeltürmen. Während dieser Zeit lebte die Familie in ihrem Schloss Ast, ganz in der Nähe von Kapfing.
Aus den Anfangstagen des jungen Paares erzählt man sich allerdings auch solche Geschichten: Wenn die junge Frau eine Anweisung erteilte bekam sie manchmal zur Antwort: „Bei Frau Gräfin seelig war das anders . . .“ Auch musste Adolf einmal sehen, wie eine Haushaltshilfe den Ofen kehrte und die ganze die Asche in den Eimer rieseln ließ, dass es kräftig nach oben staubte und sich der Staub im Zimmer auf Möbeln und Teppichen niederlegte . . . oder es wurden für gewöhnlich yrsch’sche Handtücher in den Bädern verteilt, wenn diese fast aufgebraucht waren, gab es für Anna keine frischen mehr, da man spretische nur an Spreti verteilte . . . der Hausherr löste daraufhin die daran beteiligte Dienerschaft auf, übersiedelte mit seiner jungen Frau nach München, gab im „Altöttinger Liebfrauenboten“ ein entsprechendes Inserat auf und kam mit neuem Personal nach Kapfing zurück.
Die Frau des Verwalters der zum Schloss gehörigen Ökonomie über ihren ersten Arbeitstag: „. . . dann kam am Nachmittag Frau Gräfin und Herr Graf, begrüßten mich und sagten, ich soll die Dienstboten gut halten, ein gutes Essen geben, aber immer Abstand nehmen, sie sollen wissen, dass ich die Herrin bin. Dann musste ich ihr mein Zimmer zeigen, freute sich, dass wir alles schön hatten, wir sollen auch einheizen und es uns gemütlich machen. . . . Dann gingen wir in die Mehlkammer, die war sehr groß. Frau Gräfin sagte, wir sollen das als Kinderzimmer ausbauen. Wir können 12 Kinder haben. . . .“
Die Verwaltersfrau wurde schon damals, ca.1920, zu einer Geflügelhof im nahe gelegenen Erding geschickt um sich dort die notwenigen Kenntnisse und Fertigkeiten in einem mehrtägigen Aufenthalt vermitteln zu lassen und später auch in eine Viehhaltungsschule um sich weiter zu bilden.
Eine ehemalige Küchenhilfe aus der nahe liegenden Gemeinde Buch am Erlbach erzählte noch im hohen Alter, dass ihr die Herrschaften, obwohl sie dort wohlgelitten und auch wegen ihrer Arbeit beliebt und eigentlich unabkömmlich war, geraten haben, doch eine Ausbildung zur Hebamme zu machen, da es schade sei, dass sie mit ihren Geistesgaben Küchenmädchen bleiben müsse. Sie hat dann den Beruf der Hebamme erlernt und dann auch Lebenslang ausgeübt.
Ebenfalls in Buch am Erlbach bewahrt eine Familie ein goldenes Medaillon auf, das eine „Dienstbotin“ von der „Gräfin“ zum Abschied bekommen hatte.
Anna und Adolf werden in rascher Folge vier Söhne geboren:
- Cajetan (1905 – 1989)
- Friedrich (1906 – 1912)
- Karl (1907 – 1970)
- Maximilian (1910 – 1945)
- und etwas später Franz (1914 – 1993).
Mit dem Einzug des jungen Paares
wurde Schloss Kapfing in der Gemeinde Vilsheim, Landkreis Landshut, von da an der Mittelpunkt ihres Daseins und Wirkens.
Ein ganz besonderes Ereignis muss wohl die Geburt des ersten Sohnes Cajetan gewesen sein. Sein Großonkel, Heinrich Freiherr v. Kleinschrod (1842 – 1913) schrieb in seinen Erinnerungen dazu: „Am 8. Februar vormittags 8.00 Uhr wurde meinem Neffen Adolph Spreti und seiner Gattin Anna, geb.
Gräfin Yrsch, in der Pension Washeim an der Türkenstraße dahier, wo sich die Eltern in Erwartung des Familienereignisses schon 6 Wochen vorher mit Tante Adele, Freifrau von Magerl, geb. Gräfin Yrsch, häuslich niedergelassen hatten, glücklich ein Sohn geboren, der am 15. Februar daselbst in sehr feierlicher Weise in Gegenwart zahlreicher Verwandtschaft – Spreti, Otting, Kleinschrod, Ludwig Yrsch, Bernhard Spreti usw. von seinem Großvater Spreti über die Taufe gehalten . . .“
Von links nach rechts in der hinteren Reihe
Karl und Cajetan, vorne Franz und Max
Ihre ausgeprägte, unerschütterliche katholische Frömmigkeit, ihre soziale Einstellung und allgemeine Hilfsbereitschaft, ihr auch kritischer Blick auf Überkommenes, sind der Ausgangspunkte ihres Handelns auf vielen Gebieten, in der Erziehung ihrer Söhne, bei der Führung ihres Haushaltes, bei der Anleitung ihres Personals, ihrem Umgang bei der Begegnung mit bekannten oder ihr zunächst unbekannten Menschen, ebenso wie ihrer Wirkung in der Gemeinde Vilsheim, in sozialen, politischen, ständischen und kirchlichen Organisationen und darüber hinaus in der Öffentlichkeit.
So war es ihr auch eine große Freude, dass 1912 das Allerheiligste in der Schlosskapelle eingesetzt werden durfte. Graf Felix Courten hat den Altar dafür umgestaltet um ihn mit einem Tabernakel zu versehen. Zugleich wurden die Kapellenfenster mit Darstellungen des Heiligen Adolph und der Heiligen Anna geschmückt. Zum 200 jährigen Jubiläum der Einweihung der Kapelle kam 1921 Kardinal Michael von Faulhaber um diesen besonderen Tag zu feiern. Da es damals für die Landbevölkerung noch keine Krankenkassen gab, errichtete Gräfin Spreti in ihrem Heimatort Vilsheim eine ambulante Krankenstation mit einer Ordensschwester als Leitung. Für 1 Reichsmark konnte jede Frau Mitglied werden und sich kostenlos behandeln lassen.
Schon früh tritt sie dafür ein, dass Frauen sich vor allem auf dem Lande organisieren müssten, um sich selbst und ihren Töchtern einen Zugang zu mehr geregelter Bildung, Befreiung von Kinderarbeit, Gesundheitsfürsorge, Bewusstseinspflege, kulturellen Fortschritt zu verschaffen. In Vorträgen und Schriften gibt sie Anregungen wie auch in kleinen, abgelegenen Gemeinden der Gedanke Fuß fassen kann, die Lage der Frauen zu verbessern. Sie wirbt in Aufsätzen, Vorträgen, Zeitungsartikeln für die Achtung der gesellschaftlichen Stellung der Frauen, für die Anerkennung der Frauenarbeit in Haus und Hof. Immer wieder appelliert sie eindringlich an die Frauen, selbst und auch in ihrer Familie die Arbeit im Haus wertzuschätzen, das Selbstbewusstsein der Frauen und Ihre Achtung durch die Familienangehörigen zu stärken.
Cajetan mit Friedrich (Fritzi) 1907
Als 1911 der Bayerische Landesverband des Katholischen Frauenbundes gegründet wird, ist Anna von der ersten Stunde an aktiv dabei und wirkt als 1. Vorsitzende der Landfrauenkommission und Landesvorsitzende trotz und gegen das 1933 eingeführte Arbeitsverbot in der Öffentlichkeit durch den Nationalsozialismus bis 1944.
Pressemitteilung des KDFB vom 26.12.2012:
„Gräfin Anna Spreti aus Vilsheim ist es zu verdanken, dass sich der Frauenbund zwischen 1912 und 1930 auf dem Land so rasant ausgebreitet hat. Sie gründete in Vilsheim den ersten ländlichen KDFB-Zweigverein und betonte 1913: „Eine Organisation wie der Katholische Frauenbund kann nur dann seinen großzügigen Grundgedanken gerecht werden, wenn er ein Bund aller katholischen Frauen Deutschlands ist, wenn er alle Stände, reich und arm, hoch und niedrig in sich vereinigt … Ja, der katholische Frauenbund muss aufs Land hinaus und jene Frauen, die inmitten der sozialen Arbeit auf dem Land stehen, wären fast versucht zu sagen: er gehört besonders aufs Land“.
Bereits 1914 führte sie in einem Vortrag aus, dass „Sitte, Gebrauch und ein seit Jahrhunderten eingewurzeltes soziales Fühlen es zu Stande gebracht haben, die Frau auf dem Lande zu einem Wesen zu machen, das arbeitet und sich abmüht, an dessen geistige Bedürfnisse oder leiblicher Erholung aber niemand im Hause denkt. Der Mann, die Kinder, die Dienstboten, alles sucht zu gegebener Zeit Abspannung und Zerstreuung, dass auch die Frau und Mutter hin und wieder ein Anrecht darauf hätte, fällt niemandem ein . . .“
Alle ihre Schriften, Vorträge, Veröffentlichungen fußten auf ihrem starken Glauben, ihr katholisches Weltbild, ihre soziale Selbstverpflichtung, ihre Nächstenliebe,
Um etwas gegen die hohe Kindersterblichkeit zu tun, lud sie Ärzte zu Vorträgen vor den Landfrauen ein um wertvolles Wissen über Säuglingspflege und Kinderernährung zu vermitteln. In ihrer Schlossküche richtete sie Kochkurs ein, um den Frauen zu zeigen, wie man die Familie gesund ernährt.
In die folgenden Jahre fallen ein Vielzahl ihrer Veröffentlichungen und Vorträge:
- 1914 Die Propaganda des katholischen Frauenbundes auf dem Lande
- 1916 Die Säuglingssterblichkeit in den altbayerischen Landesteilen
- 1916 Der Anteil der Mutter an der religiös-sittlichen Erneuerung unseres Volkes
- 1922 Die geistig sittliche Not der Landjugend
- 1925 Der innere Wert guter Lebensformen
In einem „Weck- und Mahnruf“ setzt sie sich 1916 mit der hohen Säuglingssterblichkeit auseinander und tritt für eine „sittliche und materielle Hebung des Hebammenwesens“ ein; sie lädt Ärzte zu Vorträgen vor Landfrauen ein um wertvolles Wissen über Säuglingspflege und – Ernährung zu vermitteln.
Bei Ausbruch des 1. Weltkrieges wird der Ehemann als Malteserritter von dem Bayerischen Landeskomitee für freiwillige Krankenpflege eingesetzt, wo er bis zum Kriegsende bleibt. Das Ehepaar war in engstem Feldpostkontakt. Täglich schreiben sie sich Briefe, manchmal auch zwei, deren überwiegender Inhalt das normale übliche Leben zu Hause, in der Gemeinde und an der Front ist.
Was geschieht im Dorf, im landwirtschaftlichen Gut, wie geht es den befreundeten und verwandten Familien, was machen die Buben . . . Da Anna nun für das gesamte Hauswesen und das Gut alleine zuständig ist, enthalten ihre Briefe notwendigerweise auch viele Fragen zur Fürsorge der Garten-, Landschafts- und Parkgestaltung, es geht dabei um Holzkisten und Eierkartons, das Ausrichten von Jagden die Hege und Pflege von Wild und Forst in Kapfing wie um das Fortkommen der Söhne. Männliche Arbeitskräfte für die schwere Arbeit in der Landwirtschaft werden zusehends knapper, da gesunde Männer ihren Militärdienst ableisten müssen. Sollte man einer Einberufung entgehen, um die notwendige Arbeitskraft für die Landwirtschaft zu behalten, so musste Anna im Einzelfall die Fahrt von Kapfing nach München auf sich nehmen, um eine Befreiung zu erwirken. „Viehenteignungskommissionen“ holen nach bestimmten Regeln Vieh aus den Ställen (vom Schlossgut Kapfing in einem Jahr 6 Stück Jungvieh) und zogen andere landwirtschaftliche Produkte zur Sicherung der Ernährung ein.
Meist sind es besorgte Inhalte, aber mit dem Ausdruck eines festen Gottvertrauens in einer Zeit in der sich die bevorstehenden Veränderungen bereits ankündigen, das Ende des 1918 verlorenen Krieges, gesellschaftliche Veränderungen, wirtschaftliche Verwerfungen, politisch stürmische Jahre stehen bevor.
Der verlorene 1. Weltkrieg, das Ende der Monarchie und die folgenden Jahre der Wirtschaftskrise bringen einschneidende Änderungen mit sich. Die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen und finanzielle Probleme im Zusammenhang mit der Weltwirtschaftskrise und der Inflation wirken tiefgreifend in den Familienalltag.
Anna verfolgt weiter ihre Ideen.
1923 wird sie zur stellvertretenden Landesvorsitzenden, 1933 zur ersten Landesvorsitzenden der Bayerischen Landfrauenvereinigung des Katholischen Frauenbundes gewählt und setzt sich durch alle Jahre hindurch, solange dies noch möglich ist, unermüdlich in Vorträgen, Zeitungsartikeln, auf Versammlungen und in Aufsätzen für die Achtung der gesellschaftlichen Stellung der Frauen und für die Anerkennung der Frauenarbeit in Haus und Hof ein.
Anna stand dem nationalsozialistischen Regime äußerst ablehnend und kritisch gegenüber. In den Jahren nach 1938 nahmen sie Flüchtlinge sowie politisch, rassisch, weltanschaulich und religiös Verfolgte in Kapfing auf. Wegen ihrer „politischen Unzuverlässigkeit“ gegenüber dem Naziregime wurde ihnen von den Nazis alle Zuteilungen für die Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes gestrichen. So mussten diese ohnehin schon schweren Jahre auch noch mit weniger Hilfe für die Landwirtschaft gemeistert werden.
Jedes soziale, berufsständisches, ehrenamtliches, Engagement musste ein „NS“ vor seinem Namen führen. Da konnten sie beide, Anna wie auch Adolf, aus innerer Verantwortung heraus nicht mehr mitmachen! Sie zog sich aus der Öffentlichkeit die über ihre Dorfgrenzen hinausgingen zurück, verkehrten mit ihren Freunden, Verwandten und unverdächtigen Personen die ihre Unterstützung benötigten.
Anna starb am 26. August 1944, ihrem 42. Hochzeitstag
Adolf folgte ihr am 31. Dezember 1945